Zwischen Gebot und Gnade

Die diesjährige Jahreslosung, die Aufforderung des Apostels Paulus in 1. Thessalonicher 5 Vers 21„Prüfet alles und das Gute behaltet.“ ist verhältnismäßig kurz und bündig. Ganz einfach also dieser Aufforderung zu folgen. Oder?

Vor einigen Wochen wurde ich gefragt, ob ich einen Artikel für das Magazin „Adventisten Heute“ schreiben möchte. Regelmäßig Artikel für Zeitschriften zu relevanten Themen zu verfassen, steht auf meiner bucket list, also sagte ich zu.

In der gesamten Ausgabe geht es um das neue Jahresmotto für 2025: „Prüfet alles, behaltet das Gute.“ aus dem 1. Thessalonicher Brief. Das Thema erschien mir auf den ersten Blick so einfach, wie der Vers kurz ist. Gott hat mich mal ganz fix wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und Paulus‘ Aufforderung Anwendung finden lassen.

Als ich fertig mit Schreiben war, war der Artikel zu lang. So viel Weisheit, so viel Ressource, in einem so kurzen Text. Ja, danke, kommt mir irgendwie bekannt vor. Ich musste kürzen.

Als Kinder Gottes, deren Forschungsdrang und Abenteuerlust ich immer wieder neu entfachen möchte, habe ich nicht nur Fragen gestellt, die uns auf den Weg bringen können, sondern auch „Forschungs-“ bzw. „Prüfmethoden“ vorgestellt. Also „Wo?“ oder „Woran?“ prüfen wir Christen nun Alles, damit wir das Gute wahrnehmen und behalten können? Aus Platzgründen enthält der Artikel nur Stichpunkte. Hier nun die ausführlichere Version. Welche weiteren Methoden fallen dir ein? Ergänze sie gern über die Kommentarfunktion oder schreibe mir über das Kontaktformular.

  • BIBEL das Abgleichen unserer Informationen mit biblischen Werten durch das Studium der Schrift (vgl. 2. Tim. 3,16-17; Römer 12,2).

Wenn wir Gottes Wort systematisch erforschen, vertieft sich unser Verständnis und wir können unsere Erkenntnisse im täglichen Leben anwenden. Wie wir an vielen Themen – nicht nur kirchenintern – immer wieder bemerken: es gibt verschiedene Herangehensweisen und jeder interpretiert nach eigenen Kriterien: Herkunft, Bildungsstand, Erfahrungen & Erlebnisse, Kultur, Denomination, Ausrichtung.

  • GEBET um Weisheit und Führung durch die Einladung des Heiligen Geistes

Gebet ist persönlich & intim (vgl. Joh. 16,13). Laden wir den Heiligen Geist, Gott selbst, ein, wirkt Er durch unsere innere Überzeugung und ermutigt zu einem mitfühlenden und gerechten Leben, selbst wenn es bedeutet, traditionelle Normen zu hinterfragen. Er offenbart uns die Wahrheit und schärft unser Gewissen, stellt also das Mikroskop scharf.

Beten kann für manche schwierig sein. Das Gespräch mit Gott ist vielleicht aufgrund der religiösen Erziehung an einen Ort oder eine gewisse Abfolge gebunden, die dir heute nicht mehr gut tut. Auch ich habe manchmal die Herausforderung zu überwinden zu beten. Gerade, wenn wir keine Lust oder Kraft haben, ist es so wichtig. Im Auto gelingt es mir persönlich dann am besten. Ich stelle mir manchmal sogar vor, Er sitzt auf dem Beifahrersitz und wir reden einfach. Oder ich mache meine Worship-Playlist an und lasse den Dingen ihren Lauf. Wir können immer und überall mit Gott in Verbindung treten. Er ist immer nur einen Seufzer entfernt.

  • JESUS CHRISTUS unser vollkommenes Vorbild

Dass etwas „gut“ ist, erkennen wir unter anderem daran, wenn es in Übereinstimmung mit Gottes Geboten und Prinzipien steht. Vor allem aber, wenn es anderen Lebewesen nicht schädlich ist. Für Christen ist Jesus Christus das vollkommene Vorbild, was „gut“ bedeutet. Seine Lehren und sein Leben zeigen, wie man sich anderen Menschen gegenüber verhalten soll. Jesus fasste das Gute in zwei zentralen Geboten zusammen: Liebe zu Gott und Nächstenliebe (Mt. 22,37-40). Daher ist es ein Leitfaden, sich zu fragen: Fördert mein Handeln die Liebe zu Gott und zu meinem Nächsten? Bringt es Heilung, Frieden oder Gerechtigkeit? Auch für mich?

  • GESUNDE GEMEINSCHAFT und Erfahrung

Beziehung, Bindung, Verbindung – sind die zentralen Begriffe, die mir da sofort in den Sinn kommen. Gemeinschaft dient als Korrektiv, zumindest war es mal so gedacht. So können wir durch persönliche Erfahrungen und den Austausch in einer offenen und wert-schätzenden Umgebung prüfen (vgl. Galater 5,13-14). Damit einhergehend sind für mich folgende Begriffe:

  • GEDULDig

… miteinander und mir selbst sein (vgl. Galater 6,9-10) und ja, oft genug tatsächlich auch mit Gott. Es heißt schon „Geduld üben“, weil es den meisten nicht einfach gegeben ist. Geduld üben ist oft schwierig, nagt an uns, macht uns taub oder gereizt. In Verbindung mit anderen, sind bestimmt Mitmenschen dabei, die diesen Weg auch gehen. Wir können uns austauschen, ermuntern, Verständnis zeigen.  

  • NACHSICHT, VERGEBUNG

– puh, wo fange ich an?! Kannst du mit dir selbst gnädig sein? Wie reagierst du, wenn in einem achtlosen Moment ein volles Glas umgestoßen wird, wenn der Passant mit vollem Kaffeebecher sein Heißgetränk über deinen neuen Mantel schüttet? Wie gehst du damit um, wenn beim Wegräumen des sauberen Geschirrs schon wieder ein Teller zerspringt? Oder die Vase, das letzte Geschenk eines guten Freundes? Den Ausdruck: „Sei gnädig mit dir selbst.“ trage ich seit der Supervisionsstunde 2016 mit mir herum, denn auch ich vergaß ihn schon oft – vor allem ihn so wirklich anzuwenden.

Paulus spricht indirekt auch von einer allgemeinen Reflexion über sich selbst – sich selbst und das eigene (Welt-, Gott-, Menschen-) Verständnis zu hinterfragen, ob das eigene Leben die Werte widerspiegelt, die wir anstreben. #vergebungsseminar

  • SABBAT

– DAS Merkmal, der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten.

Im Laufe der Jahre habe ich so viele Pastoren am Sabbat tanken oder Essen gehen sehen. Ich weiß noch ziemlich genau, dass meine Familie mit einem befreundeten Pastoren-Paar verabredet war. Plötzlich kam der Vorschlag, doch ein leckeres Eis essen zu gehen. Die Gesichter bei uns Kindern hätte man mal sehen sollen. Großes Staunen! „Am Sabbat????“

Gott hat den Sabbat als Ruhetag geschaffen. Als ich in meiner Studienzeit ein Praktikum bei einem Pastor absolvierte kam auch die Frage auf, wann er denn dann seinen Ruhetag habe, steht er doch samstags meist auf der Kanzel. Er antwortete mir damals, dass er sich ganz genau seine Wochen anschaut und plant. Predigte er sabbats, war der Sonntag auf jeden Fall frei. Keine Mails, keine Termine, keine Vorbereitungen oder Freizeiten. Auch wenn Gottes Absicht sicherlich auch war, dass wir diesen Ruhetag in guter und gesunder Gemeinschaft verbringen, so ist ihm vielleicht am wichtigsten, dass wir zur Ruhe kommen und so eher die Möglichkeit finden, mit Ihm in Kontakt zu treten. So baue ich mir beispielsweise an besonders vollen Tagen bewusst „Sabbat-Momente“ ein. Wenn ich Seminare gebe, esse ich oft nicht mit der Gruppe zu Mittag, weil ich die Zeit einfach brauche, um zur Ruhe zu finden, einen kurzen Check-In mit Gott zu halten und meinen Fokus beibehalten zu können. Wie ist das bei dir?

Auch wenn die Grundlagen oft die gleichen sind für uns Menschen: jede:r Einzelne lebt dies individuell. Das ist zu einem nicht unerheblichen Grad in meinen Augen auch unfassbar wichtig. Gott möchte keine hohlen Mitläufer. Er möchte, dass wir unsere freie Entscheidung erkennen und wahrnehmen, sie umsetzen und die Möglichkeit verbreiten. Es gibt kein „one size fits all“ Modell. Allein die Tatsache, dass manche von uns selbst in den oben genannten Punkten unterschiedliche Schwerpunkte setzen: Der eine betet sehr gewissenhaft, jeden Tag, mehrmals. Ach was, eigentlich die ganze Zeit. Die andere engagiert sich beim Potluck, begrüßt jeden freundlich und hört auch zu, wenn die Antwort mal nicht „Danke, gut, und selbst?!“ ist.

Ein letzter wichtiger Punkt für nun:

Nicht nur in Kirchenkontexten, generell im Leben unserer Zeit (oder war es schon immer so?) erheben sich viele Menschen über andere. Ich bitte darum, zu bedenken: Jede Reise fängt bei uns an. Der erste Schritt ist, bei sich selbst zu beginnen. Klar, das ist schwieriger, als mal eben über Person X herzuziehen, weil sie die Aussage *natürlich* nicht verstanden hat oder als Person Z zu verurteilen, der *selbstverständlich* alles falsch macht, wie kann er nur!!

Achtung: Da sind wir schon mitten im Richten und Urteilen. Das ist nie gut gemeint, weil es das nicht sein kann. Erstens, weil wir gar nicht in der Lage sind alle relevanten Infos zu haben und zweitens, weil wir sie nicht interpretieren sollen und können, selbst wenn wir sie hätten. Wenn ich bei mir beginne, kann ich dann offen in den Spiegel schauen und liebevoll und wohlwollend meinem Blick im Spiegelbild begegnen? Wenn ich allein da bin, kann ich dann sein?

Ich möchte dich, euch, uns ermutigen, das Jahresmotto 2025 lebendig zu gestalten. Es nicht allzu verkopft zu behandeln, es nicht zu überanalysieren oder als „leicht“ abzutun. Alles zu prüfen und dann „nur“ das Gute zu behalten…das ist nicht nur eine Entdeckungsreise, sondern eine Lebensaufgabe. Gott mit dir.

Wenn du dich diesen oder anderen Themen mit professioneller Unterstützung widmen möchtest, lasse uns zusammenfinden. Lerne sensiblen Umgang in einer sicheren Umgebung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert